Verreisen.

M. und ihre Postkarten: jahrlang hab ich von ihr keine mehr bekommen; und dann heute diese unter ganz anderem Vorzeichen. Ich drehe und wende die Karte in den Händen. Eine Abbildung des Châteaus in der französischen Provinz. Nachdem der Onkel gestorben ist, haben die Zwillinge das Anwesen zum Hotel umgebaut. Auf dem Bild ist davon nichts zu sehen, ruhig schiebt sich der Wald ins Gemäuer hinter dem melancholischen Wassergraben. Die ganze Kommune arbeitet nun im Fremdenverkehr. M. schreibt von den Pferden, dem Weinberg, dem preisgekrönten Tomaten, den Windmühlen; die Jungs sind herangewachsen und strapazieren die Mütter nach allen Regeln der Kunst. So dicht beschrieben ist die Rückseite, dass nicht ein einziger Buchstabe noch hätte Platz finden können.

M. ist mit dem Kind alleine gereist, für mich war kein Visum zu bekommen. Mir ist Ferne immer abscheulich. Verreisen ist zwecklos, man kann doch nirgendwo ein anderer sein. Nur erzwungene Reise bringen Erfahrung; wie der Rauswurf von der Insel, das Herumirren, das Anlanden schließlich hier im Haus am Hang. Wir warten ungeduldig auf Nachricht, und erhalten wir sie, sehnen wir uns nach dem Warten. Der Tag hat gerade erst sein Maul aufgerissen. Mich treibt es nach draußen. Alle Gassen der Stadt durchjage ich, als müsste ich verschwinden, würde ich einmal innehalten und mich nicht ganz nach dem Wind richten. Erst als die Sonne sinkt, kehre ich zurück. Ich öffne einen Romorantin, geselle mich zu den Eseln, es fehlt wenig, dass ich die Standarte hervorkrame und einen Feldzug beginne.




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