Photo.

»Du sollst doch kein Bild machen«, sagt M., »mit jedem Photo nimmst du ein Fitzelchen weg.« Da ich abergläubig bin (es bringt bekanntlich Unglück, nicht abergläubig zu sein), höre ich sofort auf. Zwar sagt M. häufig verrückte Sachen, aber wer kann schon mit Sicherheit behaupten, dass sie nicht zugleich wahr sind. Natürlich bin ich skeptisch, will das Glück aber auch nicht herausfordern. Also beschließe ich, die Probe aufs Exempel zu machen; als Opfer meines Experiments wähle ich die Wolkenglut vorm Fenster, die ungerührt vergeht, sodass kaum auszumachen ist, ob ich dazu beitrage.

Am nächsten Tag wage ich mich, noch immer unschlüssig, an das nächste wehrlose Opfer: aus der Ferne lege ich auf das Riesenbild Burg an, von Photos nieder bis auf den Grund zerrissen liegt es da und zuckt im Licht. Wieder und wieder schieße ich. Dann will ich näher hin und nachsehen, was ich angerichtet habe. Unter großen Verrenkungen schaffe ich es über die rote Brücke, ohne abgelichtet zu werden. Es ist ein wahres Bildergewitter, das die Touristen entfachen, sie verwandeln sich in Salzsäulen, sobald sie den Auslöser drücken; wie Pfeiler stehen sie da oder wie Wild im Scheinwerferlicht. Die Gesichter sind ganz bleich, nur die Jacken flattern im Wind.

Dann, ich drücke mich gerade an der Wand der Kirche entlang, das Gebirg zeichnet sich scharf ab gegen den blassen Januarhimmel, da erkennt mich doch noch ein Studentenpärchen; in einer Ecke stellen sie mich und fragen höflich um ein Bild. Und so lächelt Paul Fehm gemeinsam mit den beiden in die Linse, bis sie kichernd abziehen. Der Schatten des Turms lastet einen Moment schwer auf meinem Gesicht. Ich ruhe aus, ehe ich wieder auf dem Marktplatz trete. Vielleicht löst sich mit jedem Klack der Kamera die Welt wirklich ein wenig auf. Mit jedem Augenschließen verschwinden wir etwas mehr, und wer kann es uns verdenken.

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